PNP 12.08.22: Zwischen Täuschung und heißer Luft

12. August 2022

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kritisiert vor knapp 300 Zuhörern die wechselhaften Ansichten von Unions-Politikern

Töging. Zur SPD-Kundgebung am Mittwochabend – traditionell zum Abschluss des Volksfests – sind knapp 300 Besucher gekommen. Als Gastredner hatte der Ortsverband den SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert eingeladen. Bevor dieser im Volksfeststadl das Wort ergriff, stellte er sich im Rathaus den Fragen und Anliegen zahlreicher Kommunalpolitiker (siehe Seite 17).

Vor zwei Jahren habe der SPD-Ortsvorsitzende Marco Harrer beim Besuch von Kevin Kühnert gesagt, "Töging kann ein Sprungbrett für deine Karriere sein", erzählt er, als er die Gäste willkommen hieß. Damals war er Juso-Vorsitzender und diesmal kommt er als Generalsekretär zurück. An die Presse gerichtet sagte er, dass der SPD-Generalsekretär auch bei kritischen Fragen sicher niemandem drohen werde. Damit spielte er auf den Vorfall von Stephan Mayer an, der verbal zwei Journalisten der "Bunte" gedroht hatte. Florian von Brunn, Vorsitzender der Bayern-SPD, sagte, dass die Menschen außerhalb des Freistaats keine Bayern-Phobie, sondern eine CSU-Phobie haben. Denn sie wollten, dass Politiker sich um ihre Probleme kümmern, nicht um den eigenen Profit. Die SPD wolle sich um die "echten Probleme" kümmern. "Machen statt ,södern‘". Windkraft, Geothermie und Stromtrassen seien wichtig für eine zukunftssichere Energieversorgung. Die Gemüter beruhigte anschließend Altbürgermeister Horst Krebes mit einer Rückschau auf das 50-jährige Bestehen der Stadt Töging und übergab danach an den Hauptredner des Abends.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert blickte zu Beginn seiner Rede auf die ersten Monate der Regierung und seiner Amtszeit zurück. Im März und April forderte unter anderem Friedrich Merz (CDU, Fraktionsvorsitzender im Bundestag) ein sofortiges Gasembargo. Kühnert habe Respekt, wenn Positionen standhaft gehalten werden. Umso enttäuschter war er, als eine Union-Gruppe um Friedrich Merz, Roderich Kiesewetter und Norbert Röttgen eine "180-Grad-Kehre" machten und fragten, warum die Gasspeicher nicht voll seien. Dorothee Bär rede im Bundestag bereits von der "besten Opposition", die es je gab. "Soweit seh’ ich sie noch nicht, aber wir bringen sie schon dahin", sagte Kühnert unter dem Gelächter des Publikums. Allerdings sei es gut, dass auf eine Rede des Bundeskanzlers nicht Alice Weidel oder ein Mann mit Dackelkrawatte (Alexander Gauland, beide AfD, Anm. d. Red.) antworte.

Markus Söder erzähle, dass Bayern bei der installierten Leistung von PV-Anlagen und Windkraft bundesweit auf Platz 1 liege. Das sei ein Täuschungsmanöver, denn: Ziehe man dies ins Verhältnis, stehe Bayern in Bezug auf die Einwohner an sechstletzter Stelle, auf die Fläche bezogen an fünftletzter Stelle. Würde man die Zehn-H-Regel, also wie nahe ein Windrad vom nächsten Wohnhaus entfernt gebaut werden darf, auf ganz Deutschland anwenden, hätten zwei Drittel der Windräder nicht gebaut werden dürfen, sagte Kühnert. In Mecklenburg-Vorpommern werden Energiegenossenschaften gebildet und dadurch die Anwohner zu Teilhabern. Die Abstände seien nämlich nicht das Problem, sondern die Gerechtigkeitsfrage, dass die Anwohner nichts von der Windkraftanlage haben. "So gehe soziale, nachhaltige und gerechte Politik." Die bayerische Bilanz im ersten Halbjahr 2022 für Windkraft:13 Anträge, drei Genehmigungen, null neue Windkraftanlagen. Söder produziere "nur heiße Luft."

Es brauche ein klares Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland, sagte Kühnert. Erst vor einigen Tagen habe der US-Chip-Hersteller Intel bekannt gegeben, dass er seine neue "Gigafab" in Magdeburg baut. Investitionen von zunächst 20 Milliarden Euro und eine fünfstellige Zahl von topbezahlten Arbeitsplätzen inklusive, so Kühnert. Standorte in Bayern hätten auch zur Wahl gestanden, Intel habe sich jedoch für Magdeburg entschieden. Er sei verwundert vom berühmten bayerischen Selbstverständnis gewesen, als Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger eine zehnzeilige "Glückwunsch"-Mail an den Kollegen aus Sachsen-Anhalt schickte.

Abschließend richtete Kevin Kühnert einen Appell an seine Zuhörer: "Demokratische Selbstverständlichkeiten geraten ins Bröckeln. Wir dürfen nicht zu gewiss sein, dass wir im Land der Glückseligen sind." Deshalb sollen die Zuhörer nicht nur zu Veranstaltungen kommen, sondern sich fragen, was ihr Anteil sei. − klm

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